Der Traum von der Selbstständigkeit verspricht die Erfüllung fast aller Wünsche. Er ist aber auch mit gewissen Risiken verbunden, die immer noch viele Menschen davon abhalten, ihr eigenes Unternehmen zu gründen.
Große Bedenken bestehen vor allem dagegen, alles auf eine Karte zu setzen und für den neuen beruflichen Status alles aufzugeben, was man bereits erreicht hat. Doch das muss auch gar nicht sein, wenn man sich einfach für eine Selbstständigkeit im Nebenberuf entscheidet.
Nebenberuflich selbstständig: Geht das überhaupt?
Wenn wir uns einen idealtypischen Selbstständigen vorstellen, dann kommt uns zuerst immer der hoch motivierte Vollblut-Unternehmer in den Sinn, der seine gesamte Zeit in den Aufbau und die Führung seines Betriebes steckt und sich dabei über Jahre oder sogar Jahrzehnte mit fast nichts anderem beschäftigt.
Wenn nun stattdessen die Rede von einer Selbstständigkeit in Teilzeit ist, dann kollidiert dies zunächst mit dem Bild in unserem Kopf. Und doch lohnt es sich, einen intensiveren Blick auf dieses Konzept zu werfen, das mit vielen Vorteilen und wenigen Risiken verbunden ist.
Von einer nebenberuflichen Selbstständigkeit spricht man immer dann, wenn es sich bei der Arbeit im eigenen Unternehmen nicht um den Hauptjob handelt. Man behält die gewohnte Arbeit also bei und kümmert sich in der bisherigen Freizeit um den eigenen Betrieb. Wir sprechen also vorrangig von den Abendstunden, den Wochenenden und den Urlaubszeiten, die zur Verfügung stehen, um das Gründungsvorhaben in die Tat umzusetzen.
Es versteht sich an dieser Stelle von selbst, dass sich die Selbstständigkeit in verschiedenen Branchen unterschiedlich gut für eine nebenberufliche Ausübung eignet. Bereiche, in denen persönliche Kontakte während der allgemeinen Geschäftszeiten unabdingbar sind, können bei einer nebenberuflichen Ausübung schnell Probleme mit sich bringen.
Stellen wir uns stattdessen aber zum Beispiel eine Selbstständigkeit im Online-Handel vor, dann bemerkt man schnell, dass es hier keine Rolle spielt, zu welcher konkreten Zeit man die anfallende Arbeit erledigt.
Die erste Voraussetzung für eine Selbstständigkeit im Nebenberuf ist also ein geeignetes Geschäftsfeld. Ist dies erst einmal gefunden, dann treten eine ganze Reihe von Vorteilen ein, die wir im Folgenden einmal näher betrachten wollen.
Diese Vorteile gestalten die nebenberufliche Selbstständigkeit attraktiv
Eines vorab: Die Selbstständigkeit im Nebenberuf ist zunächst einmal mit allen Vorteilen verbunden, von denen auch hauptberuflich Selbstständige profitieren. Man kann im eigenen Unternehmen frei, selbstbestimmt und kreativ tätig werden, ist nicht länger von der Gunst der Vorgesetzten abhängig, teilt sich seine Arbeit selbst ein, verdient meist deutlich mehr als die Angestellten und kommt zudem auch noch in den Genuss eines hohen sozialen Ansehens.
An dieser Stelle enden die Vorzüge der Selbstständigkeit im Nebenberuf aber lange noch nicht. Beginnen wir mit der ausgeprägten Sicherheit, die mit diesem Weg verbunden ist. Das bisherige Gehalt läuft ebenso weiter wie die wichtigen Sozialversicherungen. Im Gegensatz zu Selbstständigen, die tatsächlich alles auf eine Karte setzen, riskiert man zu keiner Zeit die persönliche Existenz und gibt auch den finanziellen Status, den man gewohnt ist, nicht auf.
Hinzu kommt, dass der Leistungsdruck stark vermindert ist. Während der „normale“ Selbstständige unbedingt darauf angewiesen ist, dass sein Unternehmen innerhalb von kürzester Zeit satte Gewinne erzeugt, kann der selbstständige Nebenberufler in aller Ruhe abwarten, wie sich sein Betrieb entwickelt.
Er gerät nicht unter den Druck, unbedingt sofort Geld mit der Selbstständigkeit verdienen zu müssen und kann die ganze Angelegenheit daher viel entspannter angehen. Auf diese Weise nimmt er es für sich in Anspruch, die Rolle des Unternehmers erst einmal in seinem individuellen Tempo kennenzulernen und einzustudieren.
Geht der Plan auf und das Unternehmen läuft nach einiger Zeit wirklich gut, kann er seinen Hauptjob immer noch kündigen und sich voll und ganz auf die Selbstständigkeit konzentrieren. Geht das Ganze stattdessen schief, fällt er nie unter seinen vorherigen Status als Angestellter mit einem sicheren Gehalt zurück.
Oft ist es problemlos möglich, die nebenberufliche Selbstständigkeit vom Home Office aus zu praktizieren. Hieraus ergibt sich zusätzlich viel Flexibilität. Auch Verpflichtungen gegenüber der Familie können leichter wahrgenommen werden, wenn man von den eigenen vier Wänden aus tätig wird und hierdurch auch während der Arbeitszeit ansprechbar bleibt.
Ganz ohne Risiken und Nachteile geht es auch mit diesem Konzept nicht
Nun haben wir eine Reihe von Vorteilen dieser besonderen Form der beruflichen Selbstständigkeit kennengelernt, die sicher für viele Menschen sehr überzeugend sind. Wir wollen das Bild aber vervollständigen und deshalb auch nach eventuell vorhandenen Risiken, Gefahren oder Nachteilen suchen. Schließlich soll jeder, der sich im Nebenberuf selbstständig macht, genau wissen, worauf er sich damit einlässt.
Beginnen wir beim Offensichtlichen. Natürlich stellt es eine erhebliche Anstrengung dar, seine Freizeit nicht der Erholung und Entspannung, sondern stattdessen dem Aufbau eines eigenen Unternehmens zu widmen. Während Freunde, Familienmitglieder und Kollegen ihren Feierabend genießen, sitzen wir am Schreibtisch und arbeiten für das eigene Unternehmen.
Und auch Wochenenden oder Urlaubswochen werden immer wieder benötigt, um die Selbstständigkeit voranzubringen. Diese schwierige Doppelbelastung muss man nicht nur kennen. Man sollte sie auch frühzeitig mit der Familie und dem Freundeskreis besprechen, damit sich jeder auf die neue Situation einstellen kann.
Wir haben vorhin erklärt, dass ein wesentlicher Vorteil dieses Modells darin besteht, dass kaum Leistungsdruck auf uns lastet. Für ein paar Gründer und Unternehmer könnte sich dies aber auch als Nachteil erweisen. Es gibt Menschen, die nur unter starkem Druck zu wirklichen Höchstleistungen fähig sind. Für diese könnte es unter Umständen schwierig werden, ohne Leistungsdruck Disziplin und Motivation aufzubringen.
Außerdem ist es möglich, dass außenstehende Personen eine Selbstständigkeit im Nebenberuf nicht völlig ernst nehmen. Dies könnte zum Beispiel bei Banken, strategischen Partnern oder auch bei Kunden der Fall sein, wenn diese die Erwartung haben, dass sich ein Selbstständiger seinem Unternehmen voll und ganz zur Verfügung stellen sollte und nicht nur im Nebenberuf. Hierbei dürfte es sich aber um eine Ausnahme handeln.
Schritt für Schritt in die nebenberufliche Selbstständigkeit
Sie sehen also: Die Vorteile der nebenberuflichen Selbstständigkeit überwiegen die Nachteile deutlich. Dennoch muss man sich mit den dargestellten Risiken und Gefahren intensiv auseinandersetzen, bevor man sich auf das Abenteuer Selbstständigkeit einlässt. Außerdem sollte man den einen oder anderen zusätzlichen Planungsschritt vorsehen, um optimale Startvoraussetzungen herzustellen.
Beginnen Sie damit, intensiv über eine geeignete Geschäftsidee nachzudenken. Achten Sie darauf, dass sich diese in ihrer Umsetzung mit dem nebenberuflichen Ansatz verträgt. Vermeiden Sie Arbeitsfelder, in denen Sie während der üblichen Geschäftszeiten persönlich anwesend sein müssen und bevorzugen Sie Bereiche, in denen es üblich ist, eine indirekte und vor allem zeitversetzte Kommunikation zu führen.
Darüber hinaus muss die Geschäftsidee natürlich auch das Potenzial dazu haben, am Markt erfolgreich zu sein. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die nebenberufliche Selbstständigkeit nicht von der hauptberuflichen Variante. Im nächsten Schritt sollten Sie nun das Gespräch mit der Familie und mit engen Freunden führen. Es ist sehr wichtig, dass diese Personen Ihre Pläne kennen und vor allem auch unterstützen.
Gehen Sie dabei ganz ehrlich mit der Doppelbelastung um, die auf Sie zukommen wird und erklären Sie den Menschen aus Ihrem persönlichen Umfeld offen und klar, mit welchen Einschränkungen die ersten Jahre dieser Form der Selbstständigkeit verbunden sein werden. Gehen Sie ergebnisoffen in diese Gespräche.
Wenn Sie feststellen, dass Sie Ihre Familie mit einer Entscheidung für die Selbstständigkeit zu stark belasten, dann überdenken Sie Ihre Pläne und entscheiden Sie sich gegebenenfalls gegen das eigene Unternehmen. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie die nebenberufliche Selbstständigkeit persönlich vertreten können, dann sollten Sie im nächsten Schritt mit Ihrem Arbeitgeber sprechen und diesen offen in Ihre Pläne einbeziehen.
Ihr Chef kann Ihnen eine nebenberufliche Tätigkeit nur dann untersagen, wenn hierunter entweder Ihre Arbeit leidet oder wenn Sie in unmittelbare Konkurrenz zu ihm treten. Zeigen Sie ihm im vertrauensvollen Gespräch deutlich, dass beides nicht der Fall sein wird und machen Sie ihm klar, dass Sie sich seine Unterstützung wünschen.
Bleibt noch ein letzter Schritt, den Sie erst absolvieren müssen, nachdem Sie Ihr nebenberufliches Unternehmen bereits gegründet haben und schon eine Weile betreiben. Sie sollten nämlich nicht den optimalen Zeitpunkt verpassen, sich für eine Selbstständigkeit im Hauptberuf zu entscheiden.
Wenn Ihr Betrieb auf sicheren Füßen steht, Sie sich in die Rolle des Unternehmers eingefunden und Ihre ersten wichtigen Erfahrungen gesammelt haben, wenn es Zeit wird, das Unternehmen zu vergrößern und wenn Ihre Sehnsucht nach einem Leben ohne die anstrengende Doppelbelastung wächst, dann kommt wahrscheinlich der Moment näher, indem Sie nun doch alles auf eine Karte setzen und Ihren angestammten Job aufgeben sollten. Immerhin wissen Sie ja jetzt ganz genau, was Sie tun.
