Die sozialen Netzwerke erleben derzeit einen beispiellosen Boom. Einer der Schlüsselbegriffe, der sie populär machte, ist das „Sharing“, was so viel wie „Teilen“ bedeutet. Zwar ist ein Aspekt beim Teilen, anderen etwas abzugeben, primär liegt der Fokus beim „Sharing“ jedoch auf gemeinsamer Nutzung. Teilen wird somit zur kollektiven Erfahrung. Stetig bringt dieser machtvolle sozioökonomische Trend neue Geschäftsideen hervor und beflügelt entsprechend die Gründerszene.
Sharing digitaler Inhalte
Besonders gut lässt sich das Phänomen „Sharing“ am Beispiel digitaler Inhalte veranschaulichen. In den sozialen Medien können unzählige User auf gleiche Inhalte zugreifen und gemeinsam nutzen. Seien es Videoclips, Bilder, Songs oder Texte. Der Kerngedanke dabei ist: Ich stelle anderen etwas zur Verfügung und andere tun dasselbe. Dadurch erhalte ich ein unvergleichlich großes Angebot an Inhalten.
Beispiele, wie dies funktioniert, zeigen Plattformen für Videoclips wie Youtube oder Fotocommunitys wie Flickr. Geschäftsideen, die auf dem Sharing-Prinzip basieren, schossen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden. Ein erfolgreiches europäisches Streamingportal, das sich zurzeit anschickt, mit Facebook zu kooperieren, ist nur eines von vielen Projekten in diesem Bereich. Bei dem cloud-basierten Dienst können Musikfans aus 13 Millionen Titeln auswählen und eigene Playlists zusammenstellen.
Internet der Dinge (IoT)
Die Kernidee „Sharing“ bleibt jedoch nicht auf digitale Inhalte beschränkt, sondern hält immer stärker Einzug in die Welt der Dinge. Während Carsharing als Idee gar nicht mal so neu ist, mag der Gedanke, ein Haustier wie einen Hund mit anderen zu teilen, einigen Zeitgenossen exotisch erscheinen. In den USA hat sich aus dieser Idee des Dogsharing längst ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt, dessen Wert von Fachleuten aktuell bereits auf 98 Millionen US-Dollar geschätzt wird.
Carsharing selbst gibt es schon seit den 1990er Jahren. Hier befindet sich das Fahrzeug im Besitz einer Organisation, die für alle Kosten aufkommt und die Fahrzeuge auf zentral gelegenen Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs verteilt. Zumeist sind diese Fahrzeuge als Zubringer im Einsatz und fungieren als Teil einer kombinierten Verkehrsstrategie, welche öffentliche Verkehrsmittel und Individualverkehr ergänzt.
Die Mitglieder der Organisation zahlen für die Nutzung, die im Gegensatz zur klassischen Autovermietung auch stundenweise erfolgen kann. Viel beachtete Projekte dieser Art sind die StattAuto-Vereine, die es in verschiedenen Großstädten Deutschlands gibt oder Organisationen wie ZipCar in Boston, USA.
Weitere Geschäftsideen aus dem Bereich vermietbarer Mobilität, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen, finden sich bei Fahrzeugnostalgie und Klassiker mieten. Bei dieser Vermietagentur für Oldtimer wie den VW Bulli T2 werden zugleich nostalgische Erinnerungen wachgerufen. Hier kann sich jeder auf vier Rädern in original ausgestatten Gefährten der 60er und 70er Jahre fortbewegen und sich in diese Zeit zurückversetzen lassen. Um in diesen Genuss zu kommen, muss man keinen eigenen T2 besitzen. Man teilt ihn vielmehr mit anderen.
Der Erfolg all dieser Geschäftsmodelle ist durch die Erkenntnis verbunden, dass nicht der Besitz einer Sache das Wesentliche ist, was Befriedigung verschafft, sondern seine Nutzung. Die Zahl der Anhänger, die diese Form verbindender Erfahrungen schätzt, steigt stetig. Mit ihr wächst auch das Bedürfnis nach Kommunikation. Die Internetanwendungen der Web2.0-Generation stellen dafür die geeigneten Plattformen zur Verfügung.
Ein Paradigmenwechsel im Konsumverhalten scheint sich anzubahnen, der sich nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus, sondern auch aus Überzeugungen speist. Grob ließe sich dieses neue Paradigma „Teilen“ oder „Gemeinsamer Konsum“ (collaborative consumption) in drei Kategorien aufteilen:
1. Dinge, die man nach (einmaligem) Gebrauch nicht mehr benötigt
2. Dinge, die man selbst selten nutzt
3. Dinge, die man aus Überzeugung mit anderen teilt
Nicht mehr benötigte Dinge
Die erste Kategorie umfasst Produkte, welche aufgrund bestimmter Lebensumstände nur einmalig benötigt werden. Wie zum Beispiel Umzugskartons. In den USA kann man sie in Netzwerken wie cardboardboxes.co.uk an andere Menschen weiterverkaufen, die einen Umzug planen.
Auch eine Vermietagentur für Baby- und Kleinkinderspielzeug fällt in diese Sharing-Kategorie, da Kleinkinder einen schnell wechselnden Bedarf an altersgerechten Spielzeugen haben. Alle diese Dinge werden per Internet umverteilt - egal ob sie nun vermietet, verschenkt, verliehen, weiterverkauft oder auf Auktionsplattformen wie eBay versteigert werden.
Selten genutzte Dinge
Bei der zweiten Kategorie kommt einem sofort Werkzeug in den Sinn. Und genau dies ist damit auch gemeint. Denn Bohrmaschinen oder Schleifmaschinen sind zwar in fast jedem zweiten Haushalt zu finden, werden im Privatbereich indes recht selten benutzt. Auch Videokameras und andere High-Tech-Geräte, die eher spärlich eingesetzt werden, fallen unter diese Kategorie. Man braucht sie hin und wieder, aber nicht ständig und die meiste Zeit liegen sie nutzlos herum.
Dieses ungenutzte Potenzial für große Usergruppen zu erschließen, ist das Ziel der ersten sozialen Internetplattform für Dinge. Hier kann jeder User Dinge anbieten oder nach Dingen in der unmittelbaren Nachbarschaft suchen. Es ist als eine Art Nachbarschaftshilfe per Internet gedacht. Das Prinzip „Benutzen“ ist hier wichtiger als „Besitzen“ und spricht immer mehr Menschen an. Dieses ungenutzte Potenzial für große Usergruppen zu erschließen, ist das Ziel der ersten sozialen Internetplattform für Dinge.
Im weiteren Sinne fallen hierunter Vermiet- und Verleihagenturen aller Art. So zum Beispiel für Computerspiele. Die Internetplattform für gebrauchte Computer- und Konsolenspiele zeigt hier einen interessanten Weg auf, wie man angesammelte Computerspiele mit anderen teilt und zugleich in den Genuss von Spielen kommen kann, die man selbst nicht besitzt.
Wohnungstausch und Bürogemeinschaften
Dinge mit anderen zu teilen, stellt sich für viele Menschen schlicht und ergreifend als Sachzwang dar. Die Mietwohnung ist in aller Regel Teil einer Wohnanlage, die andere Mietwohnungen beherbergt. Zum Lebensstil wird das Teilen immer dann, wenn der Eigentümer nicht genutzten Wohn- oder Geschäftsraum anderen bewusst zur Verfügung stellt.
Sei es, weil er ihn vorübergehend nicht selbst nutzen kann oder kein Konzept für vorhandene Raumreserven hat. Das Spektrum reicht vom klassischen Wohnungstausch über Plattformen wie airbnb.com, wo man sich weltweit relativ günstig in voll ausgestattete Wohnungen oder Häuser auf Zeit einmieten kann, bis hin zu Bürogemeinschaften.
Im Ergebnis bietet dieses Konzept einen hohen Wohn- oder Arbeitsplatzkomfort zum günstigen Preis. Wie eine Bürogemeinschaft als sogenanntes Co-Working-Projekt funktionieren kann, zeigt diese pfiffige Geschäftsidee. Hier kann jeder Arbeitsplätze und Räumlichkeiten in der Region auf Zeit nutzen.
Voll ausgestattete Büroarbeitsplätze mit Telefon- und Internetanschluss sowie Räumlichkeiten für Schulungen oder Meetings können dabei stunden- oder tageweise gemietet werden. Das Angebot ist nicht nur für Freiberufler interessant, sondern auch für kleine Firmen, die dadurch ihre Fixkosten niedrig halten können, was gerade in der Startphase besonders wichtig ist.
Großes Potenzial für Geschäftsideen mit Sharing-Gedanken
Die Vorteile eines Produktes genießen zu können, ohne Eigentum daran erwerben zu müssen, ist die zentrale Botschaft hinter allen Geschäftsideen, welche auf dem Sharing-Prinzip basieren. Die Geschäftsmodelle sind nicht nur aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen populär, sondern in ihnen spiegelt sich auch der Zeitgeist wider, der vom Umweltgedanken getragen ist.
Ressourcenschonung ist dabei ein zentrales Motiv, wenngleich nicht das Einzige. Vor diesem Hintergrund wird sich der Boom von Geschäftsideen, bei denen das Sharing-Prinzip zugrunde liegt, weiter fortsetzen. Angehenden Existenzgründern bietet es entsprechend aussichtsreiche Perspektiven.